Bauwende jetzt!

Die Zement- und Bauindustrie allgemein laufen unter dem Radar, obwohl sie Klimakiller sind. Neben dem enormen CO2-Ausstoß und den weiteren umweltschädlichen Aspekten nutzen sie die Wohnraumkrise rücksichtslos aus, indem sie billigen und schnell verfügbaren Zement als einzige praktikable Lösung präsentieren, den steigenden Bedarf an Wohnraum zu decken. Bei Zement handelt es sich um einen billig produzierten Baustoff, der ihnen Profite verspricht. Dass dieser massive Auswirkungen auf Klima und Umwelt hat, wird dabei bewusst ignoriert. Und auch die Tatsache, dass der so geschaffene Wohnraum meist die Form schwer umnutzbaren Luxuswohnungen annimmt, wird unter den Teppich gekehrt. Doch Zement ist keineswegs alternativlos: Eine Bauwende hin zu nachhaltigeren Materialien wie Holz oder recycelten Baustoffen ist längst überfällig. Sie ist unumgänglich, um den Klimawandel zu bekämpfen. Doch die Profite der Zementbranche werden aktuell weit über ökologische Notwendigkeiten gestellt und die Klimakrise damit weiter zementiert.

Immer noch kein Zimmer?

Du bist jetzt schon einige Monate (oder sogar Jahre?) in Tübingen und hast immer noch kein bezahlbares WG-Zimmer gefunden?

Wohnraummangel sucks. Die Zementindustrie scheint dabei Lösungen zu versprechen: Schnelle, günstige Neubauten und in allererster Linie schnelle Profite für die Industrie. Damit wird eine scheinbare Lösung für Wohnraummangel angeboten, die langfristig jedoch zu enormen Problemen führt¹. Durch den Rückgriff auf Zement wird somit eine – im ersten Moment aufwendigere, dafür jedoch nachhaltigere – Bauwende verhindert. Die Ignoranz gegenüber nachhaltigen Bauweisen trägt dazu bei, dass eine echte ökologische Transformation im Bauwesen bisher nur als Nischenprojekt existiert. Wiederverwendung und Recycling sind kaum etabliert, da sie nicht den profitabelsten Weg darstellen, was letztlich dazu führt, dass eine zirkuläre und umweltfreundliche Bauwirtschaft ausgebremst wird².

Wir brauchen Wohnraum für alle, wir brauchen nachhaltigen Wohnraum für alle, wir brauchen nachhaltigen, bezahlbaren Wohnraum für alle.

Und dazu müssen wir –>

Leerstand nutzen statt mit Neubau die Welt verschmutzen

Der Weg dort hin: Besetzen, Enteignen, Vergesellschaften. Wer kennt ihn nicht, den guten alten schwäbischen Spruch „Schaffe schaffe, Häusle enteigne„?

Moment mal! Dafür gibt es doch den sozialen Wohnungsbau, ruft es sich in unser Gedächtnis. Kurzfristig mag das zwar stimmen, sobald Mietpreisbindungen und Belegrechte nach 15-30 Jahren auslaufen, stehen wir aber vor dem gleichen Problem. So kam es, dass in den letzten sieben Jahren in Folge, weniger neue Wohnungen gebaut wurden, als Menschen ihren sozialen Wohnraum verloren haben. Die erschreckende Bilanz: Anstatt geplanter 100.000 neuer Wohnungen jährlich, verloren durchschnittlich 30.000 Menschen ihren „sozialen“ Wohnraum³. Global agierende Finanzakteure haben schon lange erkannt, dass das Geschäft mit Wohnraum üppige Renditen verspricht. Mit ihren profitorientierten Spekulationen nutzen sie die Nachfrage nach Wohnraum zu ihrem Gunsten, treiben Mieten in die Höhe und führen uns in diese massive Notlage. Nur durch Vergesellschaftung kommen wir dauerhaft zu bezalhbarem und gutem Wohnraum für alle.

Zusätzlich ist die Zementindustrie auch in anderer Hinsicht hoch problematisch:

Klimakiller Zement

Die Zementproduktion verursacht 8% der globalen CO₂-Emissionen, was sie zu einem der größten Klimaschädiger macht. Für die Herstellung wird Kalkstein bei über 1.400 °C gebrannt, ein Prozess, der riesige Mengen CO₂ freisetzt. Die chemische Reaktion von Kalk zu Zement (CaCO3 -> CaO + CO2) stellt dabei eine absolute Notwendigkeit dar und beziffert ca. 65% des gesamten CO2-Verbrauchs in der Produktion. Hinzu kommt der hohe Energieverbrauch, der die Emissionen weiter in die Höhe treibt. Aber hey, immerhin können die Fabriken unseren Restmüll und Klärschlamm dabei verbrennen. Und trotz dieser alamierenden Zahlen ist die Zementindustrie nicht bereit, ihren immensen CO₂-Ausstoß zu reduzieren – der Profit scheint wichtiger als der Klimaschutz.

Umweltzerstörung durch Flächenversiegelung

Durch das flächendeckende Betonieren werden riesige Landflächen dauerhaft versiegelt, was gravierende Folgen für die Umwelt hat. Versiegelte Flächen können kein Wasser aufnehmen, was Überschwemmungen begünstigt und zur Zerstörung von Ökosystemen führt,. Die Zementindustrie treibt dies immer weiter voran, ungeachtet der Konsequenzen für die Umwelt. Unter dem Vorwand des schnellen Wohnungsbaus wird diese zerstörung gerechtfertigt, dabei aber in erster Linie der eigene Profit über den Schutz der Natur und über Klimaschutz gestellt.

Gesundheitliche und soziale Auswirkungen der Zementproduktion

Die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen der Zementproduktion sind gravierend und auch hier zeigt die Branche kaum Verantwortung. Die Emissionen aus Zementwerken enthalten giftige Stoffe wie Feinstaub, Stickoxide und Schwefeldioxid, die die Luftqualität erheblich verschlechtern und Gesundheitsrisiken für Anwohner:innen und Arbeiter:innen darstellen. Die Menschen in den Produktionsgebieten zahlen die gesundheitlichen und sozialen Kosten, während die Industrie Profite auf Kosten ihrer Lebensqualität macht.

Diese Produktions- und Schürfgebiete liegen in überwiegender Anzahl in Gebieten des globalen Südens: In Territorien indigener Gemeinschaften, in unmittelbarer Nähe marginalisierter Gesellschaftsgruppen. 

Doch nicht nur daran ist leicht zu erkennen:

Die Zementproduktion ist neokolonial und menschenverachtend strukturiert

Landraub, Vertreibung und Naturzerstörung, sowie Kooperationen mit Diktaturen und völkerrechtswidrigen Besatzungen stellen dabei oftmals Basis des Kalksteinabbaus im globalen Süden dar. 

Im Kendeng Gebirge auf der indonesischen Insel Java beabsichtigen zahlreiche Baustoff-Konzerne seit 2006 einen Zementproduktionsstandort zu eröffnen und damit die Landschaften, die Wasservorräte sowie die Existenzgrundlage der Bevölkerung zu zerstören. Seit nun mehr als 28 Jahren kämpfen die Samin gegen HeidelbergMaterials

In der Westsahara, die durch Marokko seit den 1970er Jahren völkerrechtswidrig besetzt wird, verstößt erneut eine Tochterfirma von HeidelbergMaterials mit dem Rohstoffabbau in der Region gegen internationales Recht. Denn die Ressourcen gehören ebenso wie die Erde in welcher sie lagern, nicht Marokko, sondern den vertriebenen Saharauis¹⁰

Immer wieder sind Zementgiganten aber auch in Deals mit Diktatoren oder auch Kriegsparteien involviert. So ist HeidelbergMaterials seit 1984 in Togo präsent und ebenso lange in engem Austausch mit der Herrscherfamilie Gnassingbé. Auf diese Weise stabilisiert HeidelbergMaterials als einer der größten Investoren des Landes das diktatorische System¹¹. In Syrien kooperierte eine Tochterfirma von LafargeHolcim zwischen 2013 und 2014 mit dem IS und zahlte Schutzgeld in Millionenhöhe, um den Weiterbetrieb ihrer Firma vor Ort sicherzustellen¹²

Um also kurzlebige Betonbauten im globalen Norden zu errichten, sind zahlreiche Zementkonzerne direkt oder indirekt für die Stabilisierung diktatorischer Regime, für die Vertreibung indigener Bevölkerungen, für massiv erhöhte Schadstoffbelastung marginalisierter Gesellschaftsgruppen, für Wasserknappheit und die Zerstörung von Existenzgrundlagen ganzer Gesellschaften verantwortlich. 

Willst du mehr erfahren, warum Zement scheiße für alle ist?

dann komm zum Infovortrag von

Nils Urbanus

am 18.03. 19:00 im Pfleghof

Pfleghofstraße 2

Tübingen

Zement stinkt

Wir fordern:

Leerstand nutzen

Keine Profite mit der Miete

Instandbesetzen statt kaputtbesitzen

Vielfältig nutzbaren Wohnraum statt Luxuswohnraum

Vergesellschaftung und sozialer Wohnraum

Förderung nachhaltiger Baumaterialien

Friede den Hütten, Krieg den Palästen

(Georg Büchner)

Zum Weiterlesen und Informieren

¹Breyer, F. (2018): Scheitern der sozialen Wohnungspolitik: Wie bezahlbaren Wohnraum schaffen? – https://www.ifo.de/publikationen/2018/aufsatz-zeitschrift/scheitern-der-sozialen-wohnungspolitik-wie-bezahlbaren (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

²Riddle, A. A. (2023): Mass Timber: Overview and Issues for Congress. – https://crsreports.congress.gov/product/pdf/R/R47752/2 (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

³Günther, M. (2024): Bauen und Wohnen in der Krise Aktuelle Entwicklungen und Rückwirkungen auf Wohnungsbau und Wohnungsmärkte. – https://mieterbund.de/app/uploads/2023/06/Studie_-_Bauen_und_Wohnen_in_der_Krise.pdf#:~:text=Fragen%20derzeit%20in%20den%20Hintergrund,sind%20bisher%20jedoch%20nicht%20erkennbar (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

⁴UN Generalversammlung (2017): eport of the Special Rapporteur on adequate housing as a component of the right to an adequate standard of living, and
on the right to non-discrimination in this context. – https://documents.un.org/doc/undoc/gen/g17/009/56/pdf/g1700956.pdf#:~:text=The%20report%20concludes%20with%20a,with%20private%20investors%20and%20international (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

⁵Gobal, S. (2024): The Cement Industry: Balancing Infrastructure Needs with Environmental Impact. – https://floodlightinvest.com/cement-emissions-impact/#:~:text=Cement%2C%20the%20second,IEA%2C%202023 (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

⁶Copernicus Land Monitoring Service (2023): Soil and water: why and how to protect both. – https://land.copernicus.eu/en/feature-articles/soil-and-water-why-and-how-to-protect-both (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

⁷Kachholz, F.; Tränckner, J. (2021): A Model-Based Tool for Assessing the Impact of Land Use Change Scenarios on Flood Risk in Small-Scale River Systems—Part 1: Pre-Processing of Scenario Based Flood Characteristics for the Current State of Land Use. – https://www.mdpi.com/2306-5338/8/3/102 (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

⁸Niederhäuser, S. (2023): Teures Gift: Die geheimen Kosten der Schweizer Zementindustrie. – https://correctiv.org/aktuelles/klimawandel/2023/12/16/teures-gift-die-geheimen-kosten-der-schweizer-zementindustrie/ (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

⁹End Cement (o.J.): Der Kampf in Indonesien. – https://end-cement.earth/indonesien/ (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

¹⁰ End Cement (o.J.): Der Kamp in Westsahara. – https://end-cement.earth/westsahara/ (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

¹¹End Cement (o.J.): Der Kampf in Togo. – https://end-cement.earth/togo/ (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)

¹²Javers, E.; Mangan, D. (2022): French company fined $777 million and pleads guilty to paying ISIS as terror group killed Westerners. – https://www.cnbc.com/2022/10/18/lafarge-cement-to-plead-guilty-pay-more-than-700-million-on-charges-of-bribing-isis-as-terror-group-killed-westerners.html (zuletzt aufgerufen am 11.03.25)